Stockholm ist nicht nur am, sondern im Wasser. Die Stadt besteht aus 14 Inseln. Und was ist um die Inseln herum? Wasser. Eine Stadtrundfahrt darauf bietet sich also geradezu an. Und genau das habe ich gemacht. Mit dem Pendelboot, das im U-Bahn-Ticket-Preis inbegriffen ist. Ganz nett und entspannend. Aber viel interessanter war die andere Variante: im Kajak!
Blick vom Rathausturm auf den Riddarfjärden mit Riddarholmen.
Los ging’s am Anlegesteg von Stockholm Adventures in einem ruhigen, kanalartigen Seitenarm des Mälarensee auf Kungsholmen. Wir saßen zu zweit im Kajak: Malin, unser Guide und Stadtführerin (wenn man so will), und ich. Im anderen Zweierkajak waren weitere Touristen aus Taiwan. Ich bin ja schon zweimal Kajak gefahren: In dem stillgelegten Bergwerk in Slowenien und auf dem Vesijärvi (Wassersee) in Lahti in Finnland. Beide Male war das Wasser sehr ruhig, spiegelglatt. Unter der Erde kann es auch gar nicht wellig sein und auf dem finnischen See war einfach traumhaftes Herbstwetter.
Unsere Zweierkajaks für die Stadtrundfahrt.
Jetzt war es anders. In Stockholm wehte an diesem Juni-Tag ein ziemlich entschlossener Nordwind. Auf dem Kanalarm (Klarasjö) haben wir davon noch nichts mitbekommen. Doch Malin warnt uns vor, dass das nach der Brücke ganz anders sein wird. Wir nähern uns also der Brücke beim Rathaus (Cityhall) und fahren unter ihr durch. Es gibt einen großen Bogen, unter dem auch die größeren Boote fahren, und zwei kleine, sehr niedrige. Es sieht fast so aus, als wäre das zu niedrig für uns. Aber es klappt, ich muss nicht mal den Kopf einziehen. Und dann ist es ziemlich dunkel und bissl gespenstisch. Aber auch schön!
Von der Brücke aufgenommen. Das Rathaus von Stockholm, an dem sind wir mit dem Kajak vorbeigefahren.
Und dann geht’s raus. Zwar nicht aufs offene Meer, aber es fühlt sich fast so an. Es ist wellig und windig. Wir sind noch immer auf dem Mälarensee. Von hier ginge es theoretisch in die Ostsee, aber die Hauptschleuse (Slussen) ist schon seit einiger Zeit eine riesige Baustelle und alle Boote müssen einen ziemlichen Umweg fahren. Als wir am Rathaus, das hier direkt am Eck der Insel Kungsholmen steht, vorbei sind, wird’s erst richtig wellig! Der Wind kommt von rechts, außerdem herrscht hier, zwischen Kungsholmen, Riddarholmen und Södermalm ziemlich viel Schiffverkehr. Die Pendelboote (mit denen ich auch schon gefahren bin), private Motorboote, Ausflugsboote, Segelboote … alles ist hier unterwegs. Und wir: mittendrin. Oder eher: unten drunter. Im Kajak sitze ich quasi auf der Wasseroberfläche, alles über mir ist riesig. Es ist fast wie beim Schwimmen, nur eine halbe Etage höher.
Jetzt überqueren wir die Bucht, rüber nach Södermalm. Es sind etwa 800 bis 900 Meter, wenn man schnurgerade fährt, erklärt Malin. Wir haben keinen Kilometerzähler dabei, also wissen wir auch nicht, wie weit es tatsächlich ist. Es schaukelt ganz schön und ich bin heilfroh, dass ich mit Malin eine erfahrene Kajakfahrerin im Boot habe. Sonst hätte ich ganz schön Angst. Dass mich die Wellen umwerfen. Dass mich ein anderes Boot rammt. Dass ich es nicht schaffe oder im Wasser lande. Und dann nicht mehr ins Boot komme. Aber dank Malin, die hinten sitzt, bin ich recht ruhig und konzentriere mich aufs Paddeln. Links. Rechts. Links. Rechts. Und Kurs halten. Wir steuern auf das langgezogene Backsteingebäude zu. Es sieht aus wie eine Brauerei und das war es bis 1971 auch: Münchens Bryggeri.
Die Münchens Bryggeri in Södermalm. Das langgezogene Backsteingebäude sieht man auch von Kungsholmen und natürlich auch aus dem Kajak.
Die Querung des Riddarfjärden ist geschafft. Jetzt lotst uns Malin an der Küste Södermalms entlang und erzählt uns ein bisschen was. Dass die Insel mal das Arbeiterviertel von Stockholm war und jetzt ein „In“-Viertel mit vielen Cafés und Kneipen ist. Ich war am Vormittag dort spazieren. Es hat mir sehr gut gefallen.
Langsam aber sicher gelangen wir in ruhigeres Gewässer. Eine Art Kanal ist das jetzt. Eine Wasserstraße zwischen zwei Inseln. Herrlich ruhig, es gibt nicht mal Wellen! So schön entspannt paddelt es sich gleich besser. Wir kommen an unzähligen Booten vorbei, die hier liegen. Es sind schicke, zum Teil alte, Holzboote. Eine Art Wahrzeichen von Stockholm. Langsam gleiten wir an allen Booten vorbei. Eine wirklich bezaubernde Atmosphäre. Der Lohn für die Wellenmühen. Und so nur vom Boot aus zu sehen. Die Strapazen und Wellen von vorhin: vergessen. Ich bin begeistert!
Idylle pur! Die alten Boote zwischen Södermalm und Langholmen sind eine Sehenswürdigkeit in Stockholm. Am schönsten natürlich, wenn man selbst im Wasser ist.
Die Insel zu unserer rechten ist Langholmen, hier war früher das Gefängnis. Heute sehe ich eher Leute, die die Freiheit beim Grillen und Baden genießen. Wir gleiten weiter über das Wasser. Hin und wieder erzählt Malin etwas oder beantwortet Fragen. Es ist aber keine „klassische“ Stadtführung mit vielen Zahlen, Daten, Fakten oder Geschichten. Es geht mehr ums Erleben. Sich selbst ein Bild machen. Den besonderen Aspekt vom Wasser aus zu genießen. Die Stadt auf sich wirken lassen. Das gefällt mir gut.
Blick vom Kajak auf Boote und Wasser.
„Normalerweise fahren wir um die Insel Langholmen herum, aber weil es heute so windig und wellig ist, würde ich vorschlagen, wir fahren auf diesem Weg zurück. Wellen bekommt ihr nachher ohnehin genügend“, empfiehlt Malin. Es ist zwar ein bisschen schade, aber ich erinnere mich nur ungern an die Überquerung des Riddarfjärden, die uns gleich nochmal bevorsteht. Und so genieße ich noch das ruhige Wasser, lasse die alten Boote nochmal an mir vorbeiziehen und bereite mich auf die Wellen vor.
Kaum sind wir aus dem Schutz der Insel, wird es ungemütlich. Wir werden ganz schön durchgeschaukelt. Auch der Bootsverkehr nimmt jetzt wieder merklich zu. Malin versucht eine „Ideallinie“ für die Querung auszumachen. „Wir peilen die Kirche da hinter der Häuserfront an“, gibt sie die Richtung vor. Und: „Einfach so ruhig wie möglich paddeln. Ein Schlag nach dem anderen. Eins. Zwei. Eins. Zwei.“ Es ist ziemlich anstrengend, weil wir jetzt auch gegen den Wind paddeln. Die bunte Häuserfront von Kungsholmen, sie will einfach nicht näher kommen. Dafür ein ziemlich großes Schiff. Gottseidank täuscht die Optik und es kreuzt hinter uns. „Solange die Wellen nicht seitlich kommen, ist es ok“, beruhigt uns Malin. Und irgendwann sind die hübschen bunten Häuser nah.
Fast geschafft! Die Häuserzeile auf Kungsholmen kommt näher!
Es geht jetzt in Ufernähe zurück zum Rathaus. Schaukel, schaukel, spritz, spritz. Ein Schlag nach dem anderen nähert sich wieder ein Etappenziel. Das Rathaus.
Gar nicht so leicht, ein waagrechtes Bild im Schaukelkajak hinzukriegen. Der Rathausturm links ist das nächste Ziel.
Dann um die Ecke, zur Brücke. Unter dem niedrigen Bogen hindurch. In den kanalartigen Arm, in dem wir gestartet sind. Auf der einen Uferseite die grünen Bäume. Die Weide, die tief ins Wasser hängt. Auf der anderen Uferseite: ein Netz aus Straßen, die hier über- und untereinander verlaufen. Ein Knotenpunkt in der Großstadt. Was für ein Gegensatz! Und wir mittendrin. Im bzw. auf dem Wasser. Und dann sehen wir auch schon unseren Anlegesteg von Stockholm Adventures. Die zwei Stunden im Kajak sind rum. Schön war es. Abwechslungsreich. Abenteuerlich. Neue Perspektiven auf diese zauberhafte Stadt aus 14 Inseln.