Ich hab’s schon wieder getan. Ich war im See schwimmen. Und zwar nicht „Planschi-Omi-Spaß-Schwimmen“, sondern kraulen. So richtig.
Netterweise hat mich Lutz mitgenommen. Der „Wasserfrosch“ hat sich 25 Seen im Münchner Umland vorgenommen, die er erschwimmen will. In seinem Blog gibt’s eine Liste und Einträge dazu. Wir kennen uns eigentlich nicht. Und irgendwie doch. Wir sind beide in der Facebook-Gruppe „Bist du heute schon geschwommen?“. Irgendwie toll, wenn aus virtuellen Freunden echte Menschen werden. Wir teilen immerhin zwei Hobbys: Schwimmen und Bloggen.
Auf der Fahrt zum Pilsensee im Fünfseenland führten wir interessante Gespräche.
Lutz bereitet sich auf seine Seen immer gut vor. Er schaut sich das Gewässe in Google Earth an. Wo kann man parken? Wo kann man in den See? Welche Strecken bieten sich an? Wie lang sind die Strecken zum Schwimmen? Sehr schön, dass ich davon profitieren durfte.
Außerdem hat mir Lutz seine Boje geliehen. Und dann ging’s schon los. Die erste Strecke führte uns zu einer Landzunge, Entfernung etwa 500 Meter. Ging ganz gut. Das Wasser war wärmer als im Wöhrsee (etwa 20 Grad). Und der See ist tiefer, so dass ich keine Pflanzen, sondern nur schönstes See-Grün unter mir sah. Lutz sah ich bald nicht mehr. Sein angekündigter Linksdrall hatte ihn weit weggetrieben. Und da er ohne Boje unterwegs war, war er echt kaum zu sehen. Wir waren auch nicht die einzigen im Wasser. Ein paar Stand-Up-Paddler waren unterwegs. Das ist echt was anderes als im Freibad-Becken, wo vielleicht noch andere Leute schwimmen. Aber alles auf einer Ebene. Hier im See muss man schon schauen, was los ist.
Irgendwie kann man das Freiwasser-Schwimmen kaum mit dem Schwimmen im Becken gleichsetzen. Ich finde, es ist komplett anders. Erstens: Man hat Platz. Keine Mitschwimmer. Aber man ist auch der Natur ausgeliefert. Das Wasser kann dank einer Strömung auf einmal echt kalt werden. Wellen können das Atmen erschweren. Zur Orientierung muss man immer mal wieder nach vorne schauen. Wenn’s blöd läuft, sogar mal stehen bleiben.
Die zweite Etappe war dann von dieser Landzunge über den See. 600 Meter laut Lutz‘ Berechnungen. Zwischendrin wurde mir schon ein bisschen kalt. Und an Land konnte man da auch nicht gehen. Privatgrund. Wir haben’s gar nicht versucht, sondern sind über den See zurück. Ein Kilometer. Da gab’s aber keine markante Stelle, auf die ich zuschwimmen konnte. Im Becken macht’s nichts, dass ich nicht alles sehe. Im See wäre eine Schwimmbrille mit Sehstärke fast geschickter. Wir schwimmen also, es läuft schon ganz gut. Immer wieder finde ich meinen Rhythmus, atme im Dreier-Zug und achte darauf, nicht zu viel mit den Beinen zu machen, um Kraft zu sparen.
Anders als im Becken kann ich hier im See weder meine Kraft noch meine Geschwindigkeit einschätzen. Und ich weiß auch nicht, wie weit es noch ist, bis ich fertig bin. Im Becken zähle ich ja meine Bahnen. Da weiß ich, dass noch zehn oder 20 vor mir liegen. Hier? Keine Ahnung, wie weit es zum Ufer ist. Und es scheint zwischendurch echt weit entfernt. Ob es jemals näher kommt? Und was, wenn nicht? Lutz ist zwischendrin wieder recht weit von mir entfernt. Ist es sein Linksdrall oder schwimme ich zur falschen Stelle? Ich bin etwas verunsichert. Angst habe ich zwar keine, aber ein mulmiges Gefühl. Hier gibt’s kein Zurück! Ich schwimme etwas Brust, um mir einen Überblick zu verschaffen. Um mich vielleicht auch ein bisschen zu besinnen. Ich kann schwimmen. Ich habe genug Ausdauer. Ich schwimme gern. Ich kraule auch wieder. Atme regelmäßig. Versuche auf meinen Armzug zu achten. Dass er sauber ist. Dass er regelmäßig ist. Dass ich keine Luftbläschen unter Wasser drücke. Ich achte auf meine Beine. Dass sie nicht zu stark schlagen. Es ist schön. Der grüne See unter mir. Der blaue Himmel und die Sonne über mir. Zur Orientierung hebe ich den Kopf. Ich kann jetzt die Klo-Hütte auf unserer Wiese erkennen. Das ist die Stelle, auf die ich zuschwimmen muss. Und das Ufer kommt tatsächlich näher. Und näher! Ein sehr schönes Gefühl. Irgendwie erhebend. Wir kommen an. Und natürlich machen wir ein Foto. Lutz hat nämlich eine Unterwasserkamera.
Draußen merke ich, wie kalt mir ist. Wir waren fast eine Stunde unterwegs. Hatten am ersten Haltepunkt eine Fotopause eingelegt und uns auch nicht wirklich beeilt. Lutz war am Vormittag schon schwimmen. Und ich will mich nicht übernehmen. Ich muss erst lernen, wie ich mir meine Energie einteile. Im Becken schwimme ich gern mal bissl schneller. Überhole Schwimmer, die auf der Nebenbahn sind. Doch das sind Spielereien, die es im Freiwasser nicht gibt. Die auch nicht nötig sind. Weil es – auch ohne Bahnenzählen – spannend ist. Und gar nicht langweilig.
An Land ziehe ich meinen dunkelblauen Kapuzenpulli über. Den habe ich extra eingepackt, weil er so schön warm ist.