Fisch mit Fahrrad

Es ist Regen angesagt, schon morgens weckt mich das Trommeln der Tropfen am Fensterbrett sanft auf. Doch dann, am Frühstückstisch, blendet mich auf einmal die Sonne! Ja, sowas! Ein Blick aufs Regenradar lässt hoffen: Erst in knapp drei Stunden soll es wieder nass von oben werden. Das will ich nutzen, organisiere meinen Tag um, packe meinen Rucksack und nehme dann doch lieber die Regenjacke und –hose mit. Sicher ist sicher.

Und dann fängt es zu tröpfeln an, kaum dass ich zehn Minuten unterwegs bin. Ich bleibe stehen, ziehe die Regenklamotten an und ziehe den Regenschutz über den Rucksack. „Bissl tröpfeln, das macht ja nix“, denke ich mir und radle weiter. Und obwohl Mai ist, ist es kalt. Zehn oder zwölf Grad, deshalb habe ich auch die Handschuhe an. Irgendwie ist es noch immer wie im Winter und die Bäder sind auch noch immer geschlossen. Aber ich will mich nicht unterkriegen lassen und radle weiter. Doch der Regen wird immer stärker, jetzt läuft Wasser in meine Turnschuhe, das bald hin- und herschwappt. Soll ich umkehren? Nein, jetzt bin ich eh schon nass, da ist es auch egal. Und vielleicht wird’s ja besser? Und dann war ich immerhin an der Luft, schwimmen muss ich ja nicht.

Und so radle ich weiter, den größten Teil der Strecke habe ich ja noch vor mir. Der Regen lässt nicht nach und dann denke ich mir, dass ich trotzdem schwimmen will. Weil ich mich sonst ärgere, dass ich für „nichts“ nass geworden bin.

Sogar auf dem Bild sieht man, wie die Regentropfen ins Wasser fallen

Das Gute am Regattabadesee ist ja, dass ich meine Sachen an der DLRG-Hütte im Trockenen abstellen kann. Meine Schuhe sind allerdings so nass, als wäre ich damit im See gewesen. Das wird ja nachher ein Spaß, denke ich mir …

Und dann gehe ich tatsächlich schwimmen. Es ist nicht mal so kalt wie ich befürchtet hatte. Die Regentropfen fallen mit solcher Wucht vom Himmel, dass sie kleine Krater auf der Wasseroberfläche hinterlassen. Kurz werde ich wehmütig und denke daran, dass ich gern bei Regen schwimme – im Freibad, wenn das Wasser nicht 13, sondern 23 oder 24 Grad hat. Naja. Hier im See ist es aber erstaunlich warm. Ich schwimme Oma-Brust, es fühlt sich gut an. Und weil es ja regnet, sind keine Angler am See, so dass ich frei wählen kann, wohin ich schwimmen will. Wellen gibt’s auch keine und so entscheide ich mich für die linke Seite des Stegs. Da bin ich länger nicht geschwommen, was schade ist, weil ich die Strecke ganz gern mag. Denn sie führt mich an meinen Winterstellen vorbei. Erst kommt die Winterstrecke bis zum ersten Gebüsch, bis dahin bin ich im Winter bei niedrigen Wassertemperaturen geschwommen, umgedreht, zurück und nochmal. Dann kommt die Stelle zwischen dem Gebüsch und dem Schilf. Einmal war das Eis am Steg zurückgekommen, doch hier war frei. Weiter geht’s zur Bank, die einige Male meine „Anlegestelle“ war, als der See am Steg zugefroren war. Hier war’s auch, dass ich mir durch die hauchdünne Eisschicht meinen Weg zu Wasser bahnen musste (und die Eisschollen so schön geklirrt haben). Die Stelle von der Bank bis zu dieser kleinen Landzunge mit Baum kenne ich dann, weil ich hier eben im Eis geschwommen bin. Und die Bucht an der Landzunge kenne ich. Als nämlich auch an der Bank der See zugefroren war, war es hier noch eisfrei. An der Landzunge drehe ich um, ich will es nicht übertreiben, denn so richtig warm ist das Wasser nicht und ich habe wegen des Regens und der Kälte an Land doch Respekt.

Als ich mich umdrehe, erscheint mir die Hütte sehr weit entfernt. Aber tatsächlich bin ich nur fünf Minuten geschwommen. Der Regen ist inzwischen leichter geworden, die Tropfen tauchen fast unbemerkt unter die Wasseroberfläche. Ich überlege, wie es wäre, an Land zurückgehen zu müssen. „Furchtbar“ wäre das, schießt es mir durch den Kopf. Der Weg würde mir weiter vorkommen, außerdem würde ich wohl frieren, nass an Land. Im Wasser fühle ich mich irgendwie beschützt. Daheim. Gut aufgehoben. Und dann denke ich, dass ich im nächsten Leben wohl ein Fisch werden will. In gewisser Weise bin ich ja eine Art „Teilzeitfisch“, mit Fahrrad! Während ich noch so über das Dasein als Teilzeitfisch sinniere und auch an den „Kleinen Wassermann“ von Otfried Preußler denke, merke ich gar nicht, dass ich schon am Schilf vorbeigeschwommen bin und ich mich auf der Zielgeraden befinde. Am Gebüsch vorbei und schwupps: bin ich auch schon wieder am Steg. Hinter den dicken grauen Wolken lässt sich eine Sonnenscheibe erahnen, doch die Tropfen tröpfeln noch leise weiter. Ob es wohl auf der Heimfahrt sonnig wird?

So tolle Farben habe ich länger nicht gesehen!

Elf Minuten bin ich geschwommen. Und ich bin ein bisschen stolz auf mich, dass ich das heute geschafft habe. Obwohl ich vom Radln total nass geworden bin und weiß, dass es jetzt ziemlich unangenehm ist, die nassen Klamotten anzuziehen. Die Schuhe sind am schlimmsten. Sie sind so nass als ob ich damit im See gewesen wäre. Kurz überlege ich, in den Flip-Flops zu radeln. Aber für die lange Strecke sind mir die zu rutschig. Meine Handschuhe kann ich gar nicht anziehen, auch sie sind pitschepatschenass. Auf dem Heimweg tröpfelt es nur noch ganz leicht, aber meine Finger werden steif und die Füße in den klatschnassen Schuhen werden eiskalt. Und da weiß ich: Die elf Minuten im Wasser waren heute das Schönste!

Über Petra

Ich schwimme gern. Gern und viel, aber wahrscheinlich nicht besonders gut. Am liebsten kraule ich im Freibad-Becken, doch im Winter geht’s meist in die Halle. Oder zum „Eisschwimmen“ in den See. Sommers geht’s auch hin und wieder zum Schwimmen in einen See, aber am liebsten schwimme ich im Becken. Chlorhuhn halt. Zeige alle Beiträge von Petra

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