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Wintersee im Sommer

Nachdem ich im Winter fast täglich im Regattabadesee schwimmen war, habe ich mit meinem Mitschwimmer Volker ausgemacht, dass ich den See im Sommer einmal mit ihm umrunde. Punkteverbinden im großen Stil, sozusagen! Chlorhuhn wie ich bin habe ich den See, seit die Freibäder am 21. Mai geöffnet wurden, sträflich vernachlässigt. Aber das Bahnenziehen im 50-Meter-Edelstahlfreibadbecken ist nunmal meine Leidenschaft, was soll ich dazu sagen?

Aber Versprechen ist Versprechen und so trafen wir uns vergangenen Freitag Nachmittag am Regattabadesee. Die Sonne scheint, aber es ist keiner dieser megaheißen Sommertage. Trotzdem liegen einige Badegäste im Gras, vom Steg springen drei Buben. Es platscht und spritzt, dass es eine Freude ist. Überhaupt klingt es im Juli am See komplett anders als im Winter. Da war ja sozusagen „Totenstille“, kaum andere Menschen, kein Vogelgezwitscher, keine Bienen, die summen und: kein Froschgequake. Die Frösche sind (für mich zum Glück) nicht zu sehen, aber ihr Konzert ist kaum zu überhören! So klingt Sommer! Und natürlich sind die Bäume und Büsche am Ufer jetzt voll ergrünt, anders als noch im April und Mai (die heuer ja oft kühl und regnerisch waren).

Mehr Pflanzen und mehr Wasser sind im See

Das Wasser im See hat 24 Grad, zeigt mein Thermometer später an. Also so warm wie das Wasser im Freibad; die Luft dürfte ebenso 24 Grad warm sein, die Sonne scheint von einem bayerisch-weiß-blauen Himmel. Das Wasser ist grün und klar.

Ich habe meine Boje mitgenommen, auch wenn der Regattabadesee ein kleines Gewässer ist. Sicher ist sicher und es ist ja kein Aufwand, das Ding mitzunehmen. Außerdem hat es den Vorteil, dass ich im Trockensack meinen GPS-Tracker mitnehmen kann!

Spoiler! Das ist unsere Schwimmstrecke

Und dann starten wir drei. Wir schwimmen im Uhrzeigersinn, also ist das erste Ziel eine der beiden „Winterausweichbänke“, als der See am Steg gefroren war. Obwohl ich hierhin schon im Frühling geschwommen bin, erinnere ich mich auch jetzt daran, wie es im Eissee war. Total surreale Vorstellung, dass ich im Schnee zum Ufer gegangen bin und mir den Weg ins Wasser erstmal freihacken (mit den Händen) musste! Haha!

Von jedem ist ein bisschen was zu sehen …

Weiter geht’s zu der kleinen Landzunge. Hier wird es unglaublich flach, ich warne Diana, damit sie sich nicht die Knie unter Wasser aufschürft. Solange wir in Ufernähe bleiben, haben wir unter Wasser auch gute Sicht auf den Grund. Hier wächst ein Busch, dort ist es sandig, dann wieder steiniger. Rechts von mir ist es dunkelstgrün: Hier wird’s tief! Und das spüren wir auch, denn dort ist das Wasser merklich kälter. Hinter der Landzunge ist die zweite „Winterausweichbank“, hier war ich bei Schneegestöber schwimmen! Und bis in die Bucht nach der Bank bin ich im Mai schon geschwommen. Ab jetzt also Neuland – oder eher: Neu-Wasser!

Hier sieht man, wie flach die Stelle ist.

Diese Bucht ist für Volker auch ein wichtiger Meilenstein: Er ist ja schon viel früher als ich immer weitergeschwommen (ich bin sicherheitshalber öfter am Ufer beim Steg hin- und hergeschwommen). Doch diese Bucht war sein Ziel, dem er jedes Mal näher kam. Und jetzt ist das nur eine Stelle, die wir bei der Umrundung passieren.

Es geht an einer Entenfamilie vorbei, die kleinen üben mit der Mama fleißig schwimmen; die Kinder und ihre Familien am Ufer beobachten sie aufmerksam. Und wir sind an einer der Naturschutzbuchten, die man nur vom Wasser aus erreichen kann. Vorbeischwimmen ginge, ans Ufer darf man nicht. Wir entschließen uns aber für die Abkürzung und kreuzen zum anderen Ufer. Hui! Jetzt ist es unter mir dunkelsmaragdgrün, es fühlt sich etwas kühler an. Auf der anderen Seite steht Volker im Wasser. Ich wundere mich, denn ich habe hier keine Chance, meine Füße auf den Grund zu bekommen – und Volker ist kein Riese! Ich schwimme näher ans Ufer und bringe einen Fuß auf den Boden – ich stehe an einem Steilhang! Das ist interessant! Es ist richtig steil und der steinige Untergrund ist instabil, er rutscht unter meinem vorsichtigen Tritt weg. Zum Glück kann man hier vom Land nicht ins Wasser, denn das ist eine dieser Gefahrenstellen für Nichtschwimmer. Ein Schritt zu viel und man geht unter! Wir genießen noch kurz den Blick auf die DLRG-Hütte, die jetzt genau gegenüber von uns ist. Sie wirkt klein in dem vielen Grün der Bäume und Büsche – und auch ganz schön weit weg. Unsere See-Umrundung ist eher ein gemütlicher Ausflug als eine sportliche Schwimmeinheit. Aber das ist auch schön, denn so sehen wir mehr vom See und der Blick vom Wasser aufs Land ist einfach was Besonderes!

Als nächstes passieren wir eines der Schilder, die das zweite Naturschutzgebiet kennzeichnen. Hier ist ungefähr die Hälfte der Runde, lässt uns Volker wissen. Ein markanter Punkt hilft, wenn man im Freiwasser schwimmt! Volker wird die Bucht ausschwimmen, Diana und ich kürzen ab. Ein großer Baum am gegenüberliegenden Ufer dient als Zielpunkt und wird angesteuert. Ich schwimme übrigens viel Brust, mit Kopf unter Wasser. Auf Kraulen habe ich heute im See keine große Lust, außerdem habe ich so mehr Überblick. Das Wasser fühlt sich gut an, es ist zwar etwas kühl, aber das liegt eher an der Sonne, die sich manchmal hinter den einzelnen Wolken verschanzt.

Auf dem Bild von Mitte Mai sieht man die Strecke, die wir am Freitag über den See geschwommen sind

Dann kommt das Ufer näher und ich erkenne die Stelle. Hierhin bin ich auch schon mal geschwommen! Als ich vom Steg aus nach rechts, Richtung Birke, gestartet bin und bis fast zur Naturschutzbucht geschwommen bin. Yeah! Das ist ein echt schönes Gefühl, von der anderen Seite hier anzukommen. So erhaben! Wie ein großer Entdeckungsreisender… hihi!

Allerdings wird es hier ziemlich eklig. Das Wasser riecht komisch und es schwimmen so seltsame, bröselige Brocken rum. Ich weiß gar nicht, was das ist – und will es auch nicht wissen! Es ist sicher nichts Schlimmes, irgendwas aus der Natur halt. Aber angenehm ist anders. Ich schwimme Brust, vermeide es, den Kopf unterzutauchen, weil ich das Wasser nicht in den Mund bekommen möchte (etwas Wasser landet immer im Mund). Und zum Glück ist die Stelle bald passiert. Volker ruft uns zu, dass er unter Wasser eine Schildkröte gesehen hat!

Und dann brechen auch schon die letzten Meter an. Wir nähern uns der letzten „Ecke“ des Sees, dann kommt die längliche Halbinsel mit der Birke. Das war DER Punkt im Winter. Bis hierher bin ich vom Steg geschwommen, das hat im kalten Wasser eine Minute gedauert. Ich muss fast grinsen, als ich daran denke. Denn auch jetzt ist mir kalt, ich freue mich, dass der Steg nur noch ein paar Schwimmzüge entfernt ist und ich mich bald aufwärmen kann. Bei 24 Grad Wassertemperatur! Haha! Aber wir waren jetzt auch eine halbe Stunde unterwegs, auf unserem Ausflug.

Das Bild ist vom Frühling, aber man sieht die Birke und die Halbinsel ganz gut.

Am Steg warten die drei Buben, die vorhin so eifrig ins Wasser gesprungen sind. Dank meiner Boje konnten sie sehen, wo wir geschwommen sind. Volker ist die Runde schon im Frühling mehrmals geschwommen, für Diana und mich war es Premiere. Alle drei sind wir ein bisschen stolz, dass wir die See-Umrundung gemacht haben. Diana ist auch im Frühling einige Male mitgeschwommen, als das Wasser ca. 10 Grad hatte. Und während die Frösche quaken, bringt sie es auf den Punkt: „Jetzt fühle ich mich freier beim Schwimmen, ich kann das Wasser und auch die Landschaft mehr genießen. Als es so kalt war, war ich nur auf mich konzentriert.“

Und das ist tatsächlich auch für mich der größte Unterschied: Dass ich nicht mehr so auf mich und meine Körperreaktionen fokussiert bin, sondern das Schwimmen, das Wasser und die Ausblicke genießen kann. Und auch, dass ich mich an Land nicht sofort mit klammen Fingern umziehen muss, sondern ganz in Ruhe den nassen Badeanzug aus- und trockene Kleidung anziehen kann. Das Schwimmen ist leichter – und auch der Rucksack. Denn anders als im Winter reicht ein Handtuch zum Abtrocknen, warme Extraklamotten brauche ich jetzt nicht mehr.